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Handzahnbürste oder elektrische Zahnbürste?

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

HANDZAHNBÜRSTE ODER ELEKTRISCHE ZAHNBÜRSTE?

Häufig werden wir gefragt, was denn nun besser ist…. Handzahnbürste oder elektrische Zahnbürste?

Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Thematik.

Eine Zahnbürste verwendet heute praktisch jeder Mensch, sie dient der mechanischen Biofilmkontrolle im Mund. Elektrische Zahnbürsten sind den Handzahnbürsten deutlich überlegen. Sie gelten als modern, dabei gibt es sie schon seit 1886 (“Dr. Schott’s Electric Toothbrush“). Freilich wurden sie beständig weiterentwickelt. Zwei grundlegende Funktionsweisen haben sich durchgesetzt: Entweder rotieren runde Bürstenköpfe blitzschnell, oder ein länglicher Bürstenkopf wird mit Schall in sehr schnelle Schwingungen versetzt. Es fragt sich nun, welche dieser beider Varianten für welche Altersgruppe am ehesten geeignet ist.

Mundhygiene und Zahnbürste

Mundhygienemaßnahmen sind für die Zahngesundheit enorm wichtig, doch viele Menschen empfinden sie als Last. Diese Last kann durch eine elektrische Zahnbürste (kurz EZB) deutlich gemindert werden, darüber hinaus ist diese Art des Zähneputzens deutlich effektiver. Doch wie sehr sind die elektrischen Modelle den Handzahnbürsten (HZB) wirklich überlegen? Hierzu wurden immer wieder Studien durchgeführt, auf deren Ergebnisse wir einen Blick werfen wollen. Es gibt durchaus frühere Studien, die zwischen der Verwendung von EZB und HZB keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Effizienz ausmachen konnten. Das lag allerdings an den früheren, unzulänglichen Technologien der EZBs. Weder die Rotation runder Bürstenköpfe noch die Schwingungen von Schallzahnbürsten waren schnell beziehungsweise hochfrequent genug, um den Plaque-Biofilm im Mund wirklich zu entfernen. Darauf kommt es aber an. Dieser Plaque-Biofilm bildet sich bei jedem Menschen, er ist keine Krankheit. Allerdings kann er – nicht entfernt – parodontale Erkrankungen und Karies auslösen.

Richtige Effizienz bei der Zahnputzmethode

Um die Effizienz einer Zahnputzmethode zu ermitteln, misst man ihn daher. Diese Messungen sollten Aussagen zur Effizienz der Plaque-Entfernung liefern, Aussagen zur Zahngesundheit liefern sie ausdrücklich nicht. Welche Plaquemenge einem Menschen konkret schadet, unterscheidet sich nämlich von Fall zu Fall, weil jeder Mensch mit einer individuellen Immunkompetenz ausgestattet ist. Dieselbe Plaquemenge kann die Zähne einer Person beschädigen und denen einer anderen Person nichts ausmachen. Die Plaquemenge ist daher eine sogenannte “Surrogate-Variable”, also ein einfach zu messender Wert, der zu Vergleichszwecken gern herangezogen wird. Für die Beurteilung der Effizienz des Zähneputzens ist er gut geeignet. Schauen wir uns nun die Studienlage zu verschiedenen Zahnbürstentypen und ihrer Effizienz bei der Plaque-Entfernung an.

HANDZAHNBÜRSTE

Auch Handzahnbürsten gibt es in verschiedenen Varianten, für die wiederum ihre Effizienz bei der Plaquereduktion ermittelt wurde (unter anderem in einer Studie von Slot, Wiggelinkhuizen im Jahr 2012). Die Unterschiede bei den Handzahnbürsten beziehen sich auf die Form und Härte der Bürsten. Viele Lehrbücher definieren einen sogenannten Goldstandard bei den Bürstenformen. Diesen soll ein flaches, mittelkurzes Borstenfeld repräsentieren. Die Studie belegt den Irrtum bezüglich der Effizienz dieses Standards, er schneidet am schlechtesten ab. Es ist ein traditioneller Standard, doch die Zahnbürstenhersteller haben intensiv geforscht und andere, wesentlich effizientere Formen entwickelt. Nach jüngsten Studien sind Handzahnbürsten mit sogenannten “Punkfrisuren“ am effizientesten. Das sind Bürstenfelder mit angewinkelten und verschieden langen Borsten. Die herausragenden oder schräg stehenden Borsten erreichen nämlich den bakteriellen Belag selbst bei einer eher suboptimalen Putztechnik, von der bei den meisten Menschen auszugehen ist. Die vorliegenden Studien ermittelten auch – für unseren Vergleich zwischen HZB und EZB interessant – die durchschnittliche Effizienz aller Arten von Handzahnbürsten. Demnach beträgt die durchschnittliche Plaqueentfernung mit Handzahnbürsten nach dem Quigley-Hein-Index (der die Plaque-Belastung angibt), 30 %. Die Zahnputzdauer spielt dabei eine große Rolle. Wer mit der Handzahnbürste putzt, hat nach der ersten Minute durchschnittlich 27 % des Plaques entfernt, nach zwei Minuten sind es 41 %. Wesentlich längeres Putzen erhöht die Effizienz nicht mehr sehr deutlich. Daher hören wir vom Zahnarzt stets die Empfehlung, mit einer Handzahnbürste mindestens zwei Minuten zu putzen. In einer Minute haben die Borsten nur eine Sekunde Zeit für die Entfernung des Biofilms auf lingualen und bukkalen Zahnflächen, das ist zu wenig.

ELEKTRISCHE ZAHNBÜRSTE: SCHALLZAHNBÜRSTE, OSSZILIEREND-ROTIERENDE SYSTEME

Die EZB entfernt den Biofilm besser als die HZB, auch hier spielt die Putzdauer eine Rolle (Rosema & Slot 2016). Interessanterweise sind moderne Modelle, die optische und/oder akustische Signale liefern oder auch das Zahnputzergebnis an eine App auf dem Smartphone schicken, durchaus sehr sinnvoll. Sie motivieren ihre Nutzer, ausreichend lange und gründlich zu putzen, sind also viel mehr als nur eine technische Spielerei. Selbst das subjektive Empfinden beim Putzen verbessert sich, wenn die EZB solche Signale aussendet, das belegte schon im Jahr 2003 eine Studie von Zampini und Guest. Interessant ist nun, wie die EZB Plaque entfernt und dem Entstehen von Gingivitis (Entzündung des Zahnfleisches) vorbeugt. Hierzu gibt es mehrere Studien, die leider unterschiedliche Ergebnisse liefern. Das liegt in der Regel an der Studienmethodik, ein generelles Problem. Da sich unterschiedlich verwendete klinische Indizes teilweise schlecht vergleichen lassen, gibt es um 50 – 100 % voneinander abweichende Messergebnisse. Zugrunde liegen beispielsweise die QHI (Turesky-Modifikation) und der Navy Plaque-Index (Rustogi-Modifikation), wobei die Messwerte bei der QHI nur halb so hoch waren wie bei der Rustogi-Modifikation (vgl. Biesbrock 2008). Wegen solcher Messunterschiede werden regelmäßig Metastudien durchgeführt, die viele Studien zusammenfassen. Eine solche Metastudie aus dem Jahr 2014 wertete 52 randomisierte klinische Studien aus und kam zu folgenden Ergebnissen:

  • Die oszillierend-rotierende EZB ist der Schallzahnbürste (eigentlich: Ultraschallzahnbürste) überlegen. Letztere wird dennoch Menschen ab dem 50. Lebensjahr empfohlen, weil bei ihnen aufgrund inzwischen größerer Zahnzwischenräume der Reinigungseffekt mit schwingenden Borsten größer als mit rotierenden Borsten ist.
  • Die EZB entfernt zwischen 36 bis 76 % mehr Plaque als die HZB. Der große Unterschied im Messergebnis ergibt sich durch unterschiedliche Messmethoden (siehe oben) und durch ein unterschiedliches Zahnputzverhalten.
  • Die Plaque-Reduktion pro Zahnputzvorgang mit einer aufladbaren oszillierend-rotierenden EZB kann 21 – 62 % betragen.
  • Eine Ultraschallzahnbürste entfernt pro Zahnputzvorgang 21 – 49 % Plaque.
  • Die Plaquewerte liegen im Durchschnitt nach einem Monat mit der EZB um 11 % niedriger als mit der HZB. Nach drei Monaten haben EZB-Verwender 21 % niedrigere Plaquewerte als HZB-Verwender.
  • Der Gingivitisbefall sinkt mit der EZB gegenüber der HZB nach einem Monat um 6 % stärker, nach drei Monaten sind es 11 %.
  • Eine EZB mit wiederaufladbarem Akku ist effizienter als eine EZB mit Batterie. Die nachlassende Batterieleistung mindert die Effizienz.

Für die Metastudie wurden strenge methodische Kriterien angewendet, wie sie die Cochrane Collaboration vorschreibt. An den 52 randomisierten Studien hatten 4.624 Personen teilgenommen, ihr Zahnputzverhalten und die Ergebnisse wurden über mindestens vier Wochen ausgewertet. Die einzelnen Studien wiesen eine “moderate” Qualität auf, der “Quality of evidence Grade“ erreichte 75 %.

Fazit: Welche Zahnbürste ist zu empfehlen?

Die Studienergebnisse erscheinen manch einem Interessenten ernüchternd. Man hätte dem elektrischen Zähneputzen eine höhere Effizienz zugetraut. Allerdings merken Fachleute an, dass die Messergebnisse einen hohen Interpretationsspielraum zulassen, wie sich allein schon in den großen Differenzen mancher Werte zeigt (“Verbesserung um 21 – 62 %”). Des Weiteren wurden die Studienteilnehmer regelmäßig zu ihrem Zahnputzverhalten instruiert. Das hat wohl vor allem bei der HZB-Verwendung einen großen Effekt, denn normalerweise putzen sich die meisten Menschen von Hand längst nicht so lange und gründlich die Zähne, wie sie eigentlich sollten – mit einem elektrischen Zahnbürstenmodell hingegen schon, weil das einfach nicht so anstrengend ist. Daher dürften die Studienergebnisse gerade mit der HZB ein positiveres Bild liefern, als es die alltägliche Praxis vermuten lässt. Der sogenannte Hawthorne-Effekt ist in diesem Kontext ebenfalls zu berücksichtigen. Studienteilnehmer führen eine Tätigkeit stets besonders gewissenhaft durch, wenn sie wissen, wie wichtig die Ergebnisse sind. Der Vollständigkeit halber soll angemerkt werden, dass die meisten EZB-Modelle der ausgewerteten Studien das oszillierend-rotierende Prinzip anwendeten. Daher dürfen die Studienergebnisse als vorläufig gelten, jedoch sind sie wesentlich genauer als sonstige Empfehlungen. In diesem Zusammenhang kritisieren die Autoren einen Vorschlag der Stiftung Warentest, die 2016 Simulationstests in vitro (“im Glas”, also im Labor) empfahl, um die Wirksamkeit von EZB versus HZB schnell abzugleichen. Das funktioniere eindeutig nicht, so die Wissenschaftler. Die ansonsten seriöse Verbraucherorganisation führe mit solchen Vorschlägen – vermutlich wegen mangelnder Expertise – die Verbraucher in die Irre.

Es bleibe das Fazit, dass elektrisches Zähneputzen eindeutig vorzuziehen sei, nur kenne man den genauen Grad der höheren Wirksamkeit noch nicht.

Als Empfehlung für die Mundhygiene zu Hause:

  • Elektrische Zahnbürste reinigt besser als eine Handzahnbürste
  • Schallzahnbürsten sind vom Handling leichter als rotierende Instrumente und liefern daher bessere Ergebnisse

Der Originalartikel von Prof. Noack (Universität Köln) ist im Bayerischen Zahnärzteblatt erschienen >>